Philosophie und Geschichte

Die Geschichte fängt wohl wie bei allen in der Kindheit an, aber das würde an dieser Stelle zu weit gehen. Immerhin kann ich sagen, dass ich von früh an eine fundierte systemische Grundausbildung in der eigenen Familie hinter mich gebracht habe. Auch dafür bin ich meinen Eltern sehr dankbar.

In fünfzehn Jahren engagierter Jugendarbeit habe ich die große Lust entwickelt, Wirklichkeit immer wieder neu und kreativ zu konstruieren, gleichzeitig habe ich hier auch erlebt, dass Lebensentwürfe beizeiten mit Krisen, Schmerzen und Scheitern verbunden sind und daraufhin beschlossen, mich auch professionell mit diesen Dingen zu beschäftigen.

Im Psychologiestudium habe ich eine ganze Fülle von spannenden Theorien und Konzepten für das Verständnis und die Veränderung von Erleben und Verhalten erlernt (besonders dankbar bin ich bis heute Professor Dr. Heiner Keupp) und mir gleichzeig eine gewisse Skepsis all diesen Konzepten angeeignet - die "Wirklichkeit" ist etwas anderes als die Inhalte eines Lehrbuchs.

Zehn Jahre Arbeit in der Kinder- und Jugendpsychiatrie haben mich gelehrt, wie wichtig es ist, auf die Ressourcen und Kräfte zu schauen und nicht nur auf Symptome und Defizite. Gelernt habe ich auch die Grenzen professioneller Möglichkeiten und Bescheidenheit und damit auch die Achtung vor Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, die nicht selten auf ganz anderen Wegen erfolgreich wurden als ich es vorgeschlagen hatte. Meinem Chef Professor Dr. Joest Martinius bin ich neben anderem für die große Freiheit dankbar, in der er mich all diese Erfahrungen machen und so Vieles ausprobieren ließ. Dankbar bin ich auch Prof. Martin Kirschenbaum, der mich Familientherapie gelehrt hat und damit, die großen Themen des Lebens anzusprechen, immer wieder nach neuen Lösungen zu suchen und das Scheitern als wesent-lichen, oft hilfreichen Bestandteil unseres Handelns zu begreifen.

Was mich heute in erster Linie interessiert sind Menschen und die Beziehungen zwischen Menschen. Mit diesem Interesse sind immer wieder folgende Leitfragen verbunden: Was stärkt und was schwächt Menschen? Was unterstützt und was behindert gute Beziehungen? Wie entstehen Konflikte und wie lassen sie sich konstruktiv lösen?

Weil es immer wieder um Konflikte geht, habe ich mich viel mit ihrer Entstehung und Entwicklung beschäftigt und festgestellt, dass menschliche Destruktivität sehr viel mit Kränkung, Scham, Ängsten und Selbstwert zu tun hat. Zu lösen sind sie letztlich nur dann, wenn diese Gefühle einen guten Platz und Worte bekommen und destruktiver Selbstschutz nicht länger zu ihrer Chronifizierung beiträgt. Ich plädiere also für die Erlaubnis dieser Gefühle anstelle ihrer Tabuisierung.

Weil sich in zwischenmenschlichen Konflikten auch so gut die Entwicklung kultureller, religiöser, politischer und militärischer Auseinandersetzungen verstehen lässt, erachte ich unsere Arbeit auch als bescheidenen friedenspolitischen Beitrag. Verstärkt hat sich diese Perspektive seit unserer intensiven Beschäftigung mit den Konzepten des gewaltfreien Widerstands und der "Neuen Autorität" von Professor Haim Omer. Wir sind von diesen Ideen sehr überzeugt, haben sie in unsere Weiterbildungscurricula integriert und wollen sie verstärkt für die Arbeit mit Familien, in Schulen, im Kontext der Jugendhilfe, aber auch für Organisationen und Unternehmen nutzbar machen.

Gleichzeitig haben der gewaltfreie Widerstand und die „neue Autorität“ unsere Arbeit noch ein Stück mehr in ihren historischen und gesellschaftspolitischen Kontext gerückt. Themen wie Armut, Flüchtlinge und Migration, Ausgrenzung, Diskriminierung und Rassismus und all die rechtspopulistischen Tendenzen auch in unserem Land sind wieder mehr in den Fokus unsere Arbeit gerückt als sie es ohnehin schon waren. Ich bin überzeugt, dass systemisches Denken und systemisches Arbeiten gute Beiträge leisten kann, dass es (gesellschafts-) politisch in eine gute Richtung gehen kann.

Ihr Tobias von der Recke

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